Donnerstag, 18. März 2010

Moko will nur spielen



Ein Schulbus fährt auf den Parkplatz von Waikanae Beach, dem Hauptstrand von Gisborne in Neuseeland. Kreischende Grundschüler springen heraus und laufen hinüber zum Lifeguard Club. Grundschullehrer Brandon trödelt hinterher. "Einmal in der Woche kommen wir her", sagt er. "Ocean Education." Einige Schüler sitzen noch ungeduldig am Strand, für andere gibt es kein Halten mehr. Sie springen ins Meer und tummeln sich in hüfthohem Wasser um einen Mann im Neoprenanzug und mit Surfboard. Das Gekreische ist groß, denn ab und zu taucht inmitten der Menschen eine Flosse aus dem Wasser auf. Moko ist da!

Der junge Delphin zeigte sich erstmals im Jahr 2007 in Mahia, einer Bucht im Südwesten von Gisborne. Dort führte er am Strand Kunststücke vor und spielte mit den Schwimmern. Unter dem Namen Moko wurde er in ganz Neuseeland berühmt und lockte Tausende Neugierige an die Küste. Weltbekannt wurde der Delphin im März 2008, als er zwei Zwergpottwale vor dem sicheren Tod bewahrte. Die Walmutter und ihr Kalb hatten sich im Flachwasser vor Mahia verirrt und strandeten trotz einer Rettungsaktion von Tierschützern auf den Sandbänken. Als die Helfer die Hoffnung schon aufgaben, drängte sich
Moko zwischen die Wale und die Boote und führte die beiden erschöpften Tiere ins offene Meer hinaus.

Knapp anderthalb Jahre später ging von Gisborne aus eine andere Meldung um die Welt: Aggressiver Delphin verletzt zwei Mädchen! Eine Verhaltensforscherin aus Auckland diagnostizierte bei Moko einen "pubertären Wandel", der ihn gefährlich mache. Der Fernsehsender TVNZ sah in Moko nicht mehr "the mate", den Spielgefährten, sondern "the menace", die Bedrohung. Radio New Zealand schließlich attestierte Moko das Potential zum "Killerdelphin". Nachrichtenagenturen griffen das Thema auf, und die Furcht vor Moko reichte sogar bis in die deutsche Tagespresse: Falls der Delphin zu Beginn der Sommersaison im Dezember noch an Gisbornes Strand auftauchen würde, so hieß es, wäre das eine "Horrorvision".

Mitte Dezember nun schaut bei wolkenlosem Himmel und 28 Grad Rama Robertson, ein Officer des Lifeguard Clubs Gisborne, dem Delphin und den Kindern im Wasser zu: "Jeden Tag spielt Moko mit Hunderten Menschen, und es gibt kaum Zwischenfälle. Vergangene Woche mussten wir einmal eingreifen, weil ein Schwimmer beim Spielen mit Moko nicht registriert hatte, dass er zu weit hinausschwamm. Gestern waren wir vier Stunden hinter dem Delphin her, weil er uns ein Paddel geklaut hatte. Dass Moko aggressiv sein soll, lesen wir nur in der Zeitung, an unserem Strand merken wir nichts davon." Und die verletzten Mädchen? "Das waren zwei Kinder aus unserem Klub. Als der Delphin ihr Surfboard von unten umwarf, hat sich eines der Mädchen die Nase angestoßen - das war alles."

Mütter mit Neugeborenen auf dem Arm, Kinder und ihre Omas, Touristen und Maoris - sie alle versammeln sich im Wasser und hoffen, den Delphin einmal aus der Nähe zu sehen. Das knapp drei Meter lange, zwischen acht und zehn Jahre alte und etwa 250 Kilogramm schwere Säugetier lässt sich anfassen und streicheln. Am liebsten aber jagt er Bodyboards hinterher, schnickt sie in die Luft oder schwimmt mit ihnen davon. Wer geduldig im Wasser wartet, bekommt sein Board meist von ihm zurückgebracht. Wer Moko jedoch hektisch verfolgt, kann schon einmal seine Schwanzflosse abbekommen.

Vermutlich ist Moko von älteren und stärkeren männlichen Delphinen aus seinem Schwarm vertrieben worden. Er ist auf der Suche nach Gesellschaft und hat sie im Strandbetrieb von Gisborne unter Menschen gefunden. "Wenn am Hauptstrand viele Leute im Wasser sind und ich einen Kilometer südlich mit dem Surfboard ins Wasser gehe", erzählt Martin Williams, "dann kommt er und holt mich ab, um mich zu meinem Schwarm zurückzubringen." Der Mann im Neoprenanzug, der jede freie Stunde mit dem Delphin verbringt, hält sich dann an Mokos Rückenflosse fest und lässt sich ziehen, manchmal taucht der kleine Zahnwal unter das Board und schiebt es an. Mehr als 100 Meter weit kann Williams so im Stehen surfen - ein unglaubliches Bild.

Die Beobachtung eines Fischers legt nahe, dass die Gesellschaft von Menschen Moko derzeit lieber ist als die von Artgenossen. Als er einmal abends mit seinem Boot hinausgefahren sei, erzählt der Fischer, und Moko ihm folgte, sei ein Schwarm Delphine vorbeigeschwommen. Anstatt ihnen hinterherzujagen, habe sich Moko hinter dem Boot versteckt und sei am nächsten Tag an den Strand von Waikanae zurückgekehrt. Noch ist er nicht stark genug, sich seinen Platz in einem Schwarm zu erkämpfen. Bis es so weit ist, wird er wohl weiterhin die Gesellschaft der Menschen suchen.